Interkulturelle Kompetenz ist nicht angeboren, sie muss erlernt werden!

26. Juli 2022

(Beate Antonie Tröster)

In diesen unruhigen Zeiten sollten Offenheit, Respekt, Wertschätzung und interkulturelles Interesse wichtige Erziehungsziele sein, damit ein gutes Miteinander in aller Diversität gelingen kann. Im Zusammenleben mit Ihrem Kind gibt es immer wieder Gelegenheiten, das zu fördern, aber auch einseitige Vorstellungen aufzubrechen und gemachte Erfahrungen zu reflektieren. Rassismus und Vorurteile prägen oft viel stärker unseren Alltag, als wir es manchmal realisieren. Umso wichtiger ist es, bei Kindern schon früh ein Bewusstsein dafür zu schaffen.

Im Folgenden haben wir Ihnen einige Ideen zusammengetragen.

„Gib mir mal die Hautfarbe!“ So ein schnell dahin gesagter Satz von zwei Kindern, die gemeinsam malen, zeigt schon deutlich eingeprägte Muster, die man hinterfragen sollte: Was ist denn „die“ Hautfarbe? Ein helles Rosa, ein mittleres oder dunkleres Braun, ein rötlicher Farbton? Gleich ist man mitten drin in einem Gespräch über Diversität. Vielleicht ergibt sich beim Malen oder beim gemeinsamen Betrachten eines Bildes bei Ihnen einmal die Gelegenheit, mit Ihrem Kind darüber nachzudenken.

Bild: AdobeStock/Marina

Auch Bilderbücher prägen die Wahrnehmung. Leider gibt es hier, v. a. in älteren Kinderbüchern, oft starre Strukturen und (Rollen-)stereotypen: nur weiße Menschen und „klassische“ Familiensituationen – der arbeitende Vater, die sorgende Mutter, gesunde und fröhliche Kinder. Das Kind nimmt dies als gesetzten Maßstab. Gut ist es, hier ebenfalls nach alternativen Büchern zu suchen, die eben eine vielfältige Lebensrealität darstellen: Familienkonstellationen sind sehr unterschiedlich, die Prinzessin kann Schwarz sein, ein Vater kümmert sich um den Haushalt, ein Kind hat eine Behinderung … Wichtig ist es, dass dies dann nicht das Thema des Buches ist, also wieder eine Ausnahmesituation, sondern eine integrierte Selbstverständlichkeit. So wird Vielfalt alltäglich.

Der Jahreslauf ist in Deutschland geprägt von christlichen Feiertagen und Ritualen. Die Weihnachtszeit mit Adventskränzen, Schokonikoläusen, Tannenduft und Geschenken, das Osterfest mit Osterhasen, gebackenen Osterlämmchen und Eiersuche und es gibt viele einzelne Feiertage wie der Heilig-Drei-Königstag, Karfreitag, Christi-Himmelfahrt, Pfingsten, Mariä-Himmelfahrt, Buß- und Bettag … Sicher ist es gut, hier mit den Kindern die Bedeutung der Feste bzw. den christlichen Kontext zu besprechen, aber in diesem Zusammenhang ist es ebenfalls sinnvoll, über das Jahr hinweg, die Feiertage und Gebräuche anderer Religionen aufzugreifen und von diesen zu erzählen, dort wo es sich eben ergibt: Was bedeutet Ramadan? Was ist das Zuckerfest? Oder Jom Kippur oder das Pessach-Fest? Oder das Vesak-Fest? Wo gibt es Gemeinsamkeiten zwischen den Religionen zu entdecken? Es lohnt sich bestimmt, auch für Erwachsene, nach dem ein oder anderen Fest im Internet zu suchen.

Seit Beginn der Corona-Pandemie schwirren viele Begriffe herum, die man oft hört: Homeoffice, Lockdown, Boosterimpfung, Hotspot, Pooltests und Exit-Strategie – alles Anglizismen. Manche wird wohl auch Ihr Kind schon kennen. Diese können ein guter Anlass sein, einmal über unsere Sprache nachzudenken. Es gibt tatsächlich viele Wörter, die wir aus anderen Sprachen ganz selbstverständlich nutzen: Sonntags gibt es Baguette (französisch), Cornflakes (englisch) und Orangensaft (persisch). Vielleicht ist bei den Nachbarn schon das Baby (englisch) geboren worden? Heute machen wir einen Ausflug zum Maisfeld-Labyrinth (altgriechisch). Im Homeoffice (englisch) arbeiten Mama und Papa an Laptop (englisch) und Computer (englisch). Abends ziehe ich meinen Pyjama (ursprünglich ein Hindi-Wort) an. Hoffentlich träume ich nicht von Vampiren (slawischer Ursprung). Wenn diese Fremd- oder Lehnwörter im Alltag auftauchen, kann man das Herkunftsland auf einer Landkarte suchen. So rücken ferne Welten auf einmal nah heran und die Neugierde ist geweckt.

Auch schmecken kann man andere Länder. Internationale Gerichte können Sie mit Ihrem Kind ausprobieren, zum Beispiel ein thailändisches Wok-Gemüse, eine türkische Baklava oder ein indisches Curry. (Es muss ja nicht zu scharf sein!).
Wie wäre es mit englischen Kinderliedern? Eine DVD könnte ebenfalls mal in englischer oder französischer Sprache gesehen/gehört werden. Oder was halten Sie von Zungenbrechern? Which swiss witch watches which swiss witch watch? Oder: Billy blows big blue bubbles.
Kinderspiele lassen sich ebenso in einer Fremdsprache ausprobieren: Lupo, lupo, cosa fai? (Italienisch: Wolf, Wolf, was machst du?) Das rufen Kinder, die auf einer Seite stehen, einem anderen Kind zu, das ein gutes Stück entfernt steht. Dieses antwortet (auf Deutsch): Ich wetze meine Krallen. Das zweite Mal antwortet es auf die Frage: Ich schärfe meine Zähne. Beim dritten Mal lautet die Antwort: Ich komme und fresse euch! Es läuft auf die anderen Kinder zu und versucht eins zu fangen, bevor dieses die andere Seite erreicht hat. Gefangene Kinder werden ebenfalls „Wölfe“ und das Spiel beginnt von vorne.

Internationale Feste und Festivals gibt es in vielen Städten. Hier lässt sich viel Neues erfahren.

Bild: AdobeStock/New Africa

Wo auch immer es im Alltag Gelegenheit gibt: Das Vertrautmachen mit anderen Ländern und deren Menschen, ihren Lebensgewohnheiten, Kulturen, Sprachen, Spielen und Religionen ist eine gute Grundlage für ein tolerantes und friedliches Zusammenleben. Denn was ich kenne, kann ich schätzen lernen, was ich schätze, schütze ich.

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